Paganinis geheime Methode Teil 1/2


Ein Blog von Paganini-Experte und Solist Mario Hossen

 

Erste Einblicke in die Geheime Methode von Niccolo Paganini
(Variazioni sul Barucaba)

Paganini entwickelte seine eigene und spezielle Tonartencharakteristik, basierend auf der Scordatura-Technik (die Geige wird höher gestimmt), verbunden mit den Klangfarben (die je nach verwendeter Tonart etwas variieren) und der Klangstärke.

"Mein Geheimnis (erwiderte Paganini), wenn ich es denn so nennen kann, wird den Weg zu einem besseren Verständnis des Instruments eben, ein Verständnis, das viel tiefer geht als allgemein angenommen. Ich verdanke diese Entdeckung nicht einem Zufall, sondern einem fundierten Studium. Wenn man es anwendet, ist es nicht mehr notwendig, vier oder fünf Stunden täglich zu üben. Das Studium soll jene gegenwärtigen Lehrmethoden ersetzen, die sich augenscheinlich danach bestrebt sind, die Dinge (für den Schüler) zu erschweren, anstatt ihm das Spielen beizubringen.“
J. Schottky

"Paganini bestand häufig darauf, dass sein Talent aus einem von ihm entdeckten Geheimnis resultierte. Dieses Geheimnis würde er kurz vor deinem Tod in einer kurzgefassten „Studie für die Geige“, die nur eine kleine Anzahl von Seiten enthalten, und sie immense Erstaunen und Auswirkung bei allen Violinisten auslösen sollte.“ 
François-Joseph Fétis

Der Erfolg und die Sensation, die von der ersten Ricordi-Ausgabe der 24 Capricci (1820) ausging, zog sich durch ganz Europa. Dieses Werk war sozusagen Paganinis Visitenkarte, noch Jahre vor seiner ersten Konzerttournee außerhalb Italiens, die ihn 1828 nach Wien führen sollte. Die zweite Ricordi-Ausgabe folgte bald darauf 1836. Im Februar 1836 hatte Paganini drei Manuskripte als besonderes Geschenk für seinen engen Freund, den Anwalt Luigu Germi, zusammengestellt. Heute wird die Komposition- Variazioni sul Barucaba (drei Bücher, bestehend aus der Thema und 20 Variationen) in Form autographer Stimmen in der Biblioteca Casanatense in Rom (ms.Cas.5627) aufbewahrt. In erster Linie stellen diese Manuskripte Musikstücke als Lehrmaterial dar, in zweiter Linie dienen sie fortgeschrittenen Schülern als Aufführungsmaterial. Untersucht man die Variationen wird deutlich, dass Paganinis System sehr fokussierte, kurze Übungen in Variationsform beinhaltet, die auf Übungen in Arpeggios und unterschiedlicher Artikulation von Anfang an basieren, Pizzicato-Kombination mit linker / rechter Hand, das Studium der Tonmodulationen, oder nur auf der G-Saite zu spielen - alles Elemente, die im gesamten Paganini-Repertoire zu finden sind. Diese Übungen nützen auch dazu, Schülern Improvisation beizubringen. Um langwierige Momente zu vermeiden und stattdessen die Konzentration zu fördern, schrieb Paganini auch einen Gitarrenpart, damit die verschiedenen Übungen als musikalisches Ganzes gehört werden konnten. In diesem einzigartigen Beispiel der Methode sehen wir zum ersten Mal die zahlreichen authentischen Fingersätze! Darüber hinaus sind alle Variationen in Dur-Tonarten geschrieben.
(See Att.1, Paganini Quintenzirkel)

Book I: Basierend auf dem Thema in A-Dur einschließlich aller Tonarten der Zirkel 0-6♯ und 0-5♭
Book II: Basierend auf dem Thema in C-Dur einschließlich aller Tonarten der Zirkel 0-7♯ and 0-5♭ 
Book III: Basierend auf dem Thema in D-Dur einschließlich aller Tonarten der Zirkel 0-6♯ and 0-5.

Das Studium der Tonarten ist für alle Geiger wichtig, da diese eine Grundlage für jedes Repertoire darstellen. Alle Variationen basieren auf einem Dur-Akkord (Triade) - der besteht auf ein Grundton, große Terz und Quinte - einer der Grundbausteine des tonalen Konsonanten und erfordert keine Auflösung. Diese Übungen waren außerdem nützlich, Schülern Komposition beizubringen, da sie ein Sprungbrett für die Erstellung von Variationen und anderen Arten von Kompositionen darstellen konnten.

Die 24 Capricci, in 3 Gruppen geteilt, wurden seit 200 Jahren unter fast allen erdenklichen Gesichtspunkten analysiert, aber eine seiner zuletzt abgeschlossenen und wichtigen methodischen Arbeiten ist die Variazioni sul Barucaba (1836) wurden aus diesem Blickwinkel bislang nicht untersucht. Dieser pädagogische Aspekt beeinflusste seinen Wunsch, all die 60 Variationen in einer einheitlichen Sammlung zusammenzufassen, und repräsentierte Paganinis systematische Unterrichtsmethode als ein Lernmaterial in kleinen Schritten, die Lernpausen und Zeit zur Reflexion beinhaltete. Diese Unterrichtsmethode begann damit, zu zeigen die Art, wie er sich dem Instrument näherte.

„In jeder dieser Studien war Paganinis Absicht sämtliche Bogenstrich-Arten, die spezifische Schwierigkeiten der Fingersatz Technik und die Tonarten Kombinationen zu zeigen, auf das seiner Schule basierte.“ 
François-Joseph Fétis

„Die Komposition ist eine seiner letzten und war offensichtlich nicht für öffentliche Auftritte gedacht. Vermutlich sollte es Teil seines Violin Methodik sein, in welchem er sein „Geheimnis“ preisgeben wollte, dass er so vorsichtig gehütet hatte. Diese Variationen (in allen Skalen der Quintenzirkel) sind ein Auszug aus Paganinis Geigentechnik und eignen sich daher sehr gut zur Einführung in Paganinis Stil und als Vorbereitung für die 24 Capricen.“
Franz Schmidtner

 

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Paganini unterrichtete in Italien und auch im Ausland, aber es war Sivori, den er wirklich als seinen einzigen wahren Schüler betrachtete. Paganini wollte an einem praktischen Beispiel beweisen, dass seine geheime Methode zu hervorragenden Ergebnissen führte. Er erzählte dafür die Geschichte des Cellisten Gaetano Ciandelli, mit dem er sein Geheimnis teilen würde. Seinem Biographen Schottky erzählte er: "Ciandelli hatte bereits lange Zeit Cello gespielt, aber... in nur 3 Tagen wurde er zu einem völlig neuen Musiker und alle sprachen über das Wunder seiner unmittelbaren Verwandlung."

Video: Mario Hossen performs Caprice No.1 from 24 Capricci for Violin Solo

 

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Die Paganini-Autographen zeigen, eine sehr sorgfältige Dokumentation seiner musikalischen und aufführung-praktischen Ideen. Während meiner Vorbereitung für die Aufnahme "Rare und Unpublished Works" von Paganini (Dynamic CDS 7808.02) und der Doblinger-Urtextausgabe von Paganini "Works for Violin and Orchestra" Vol. III, waren mein Team und ich erneut fasziniert von der erstaunlichen und revolutionären Methode des Komponisten Paganini. Als ich seine letzte vollständige Komposition studierte, die "Variazioni sul Barucaba" M.S.71 (1836), half mir das sehr beim Verständnis der spezifischen technischen Aspekte von Paganinis letzten Kompositionen wie der "La Primavera Sonata" M.S. 73 (1838) und Sonata movimento Perpetuo M.S. 66 (1832).

Video: Mario Hossen performs "NON PIU MESTA" in original version, with violin tuned higher

 

Damit wir die wahre Essenz der revolutionären Methode von Paganinis Art zu spielen aus einer zeitgemäßen Perspektive verstehen können, sollten wir uns einige Details ansehen - im nächsten Blog!

Fotos:
1) Paganini Quintenzirkel
2) Variazioni sul Barucaba/ Fingersatz auf einer (G) Saite
3) Variazioni sul Barucaba/ Kombination pizzicato mit der rechten und linken hand
4) Variazioni sul Barucaba/ Doppelgriffe, spezielle Seitenwechsel über 2, 3 Saiten 
5) Julius Max Schottky: Paganini's Leben und Treiben als Künstler und Mensch (1830)

 

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